Papillon
Bio-Mandelmanufaktur
Stuttgart
Selbstgemachter geht nicht: In ihrer kleinen Mandelmanufaktur in Stuttgart stellt Sibel Özdemir in liebevoller Handarbeit Nougat, Cantuccini und Panforte aus Bio-Mandeln her. Dabei greift sie auf Rezepte mit jahrhundertelanger Tradition zurück, die sie mit charakterstarken Zutaten verfeinert, wie Mahlep – dem gemahlenen Kirschkern, den man aus der orientalischen Küche gut kennt.
An den Wochenenden öffnet sie in ihrer Manufaktur das Samstagscafé. Jeden Samstag und Sonntag serviert sie in heimeliger Atmosphäre vier verschiedene Törtchen. Dabei wechselt die Auswahl wöchentlich und es ist ganz oft etwas Neues dabei. Zudem lässt es sich hier an den Wochenenden ausgewogen frühstücken.


Interview mit Inhaberin Sibel Özdemir
Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Mandelmanufaktur zu eröffnen und was hast Du vorher gemacht?
Alles fing mit meiner kleinsten Süßigkeit an: meiner Tochter. Als sie 2012 zur Welt kam, haben wir im Süden der Türkei die Elternzeit verbracht, auf der Mandelplantage ihres Großvaters. Da entstand die Idee, die Mandeln zu einem tollen Produkt weiterzuverarbeiten. Auf dem Weg zurück nach Hause fing ich bereits im Auto mit der Planung an. Die Produkte, die heute im Sortiment sind, hatte ich vorher schon mal gemacht. Aber jetzt musste alles perfekt zusammenpassen. Das Mahlep hatte ich noch im Gewürzregal von der letzten Reise. Das Panforte kannte ich aus dem Toskana-Urlaub, den Geschmack hatte ich noch zu gut in meiner Erinnerung. Und das Nougat war am Ende meine größte Herausforderung. Es gibt wahnsinnig viele Rezepte, die dir das beste Nougat versprechen. Letztendlich hat es sehr sehr viele Anläufe gebraucht und sehr viel Erfahrung, bis alles zusammengepasst hat – Konsistenz, Geschmack, Farbe.
Ich habe in meiner Kindheit schon so gerne gebacken. Meine größte Leidenschaft war es, das Dr. Oetker-Grundlagenbackbuch meiner großen Schwester durchzulesen. Mit zehn Jahren habe ich mich dann auch an die Rezepte herangetraut – Sachertorte, Krapfen, Konfekt, Nusszopf… In der 10. Klasse haben wir das Berufsinformationszentrum besucht. Meine Beraterin riet mir damals, nach der mittleren Reife die Schule abzuschließen (ich war auf dem Gymnasium) und eine Konditorenausbildung anzufangen. Damals zeigte ich ihr innerlich den Vogel. Ich wollte doch Abitur machen und studieren. Was ich dann auch gemacht habe. Mich hatte es in die IT-Welt verschlagen.
Ich muss ganz oft an die Dame zurückdenken. Sie hatte mit ihrer Einschätzung damals sowas von Recht. Auf Umwegen bin ich heute da angekommen, was sie in der 10. Klasse schon vorausgesehen hatte.

Wie hast Du „Deine“ Mandel gefunden?
Nach meiner Ausführung oben könnte man meinen, dass meine Mandel aus der Türkei stammt. Leider gibt es für den Nussimport aus der Türkei große Zollprobleme. Bei der Einfuhr von Lebensmitteln herrschen strenge Sicherheitsvorschriften. Und für so ein kleines Startup wie mich gab es keinen passenden Logistikdienstleister. Dann habe ich mich auf die Suche nach Alternativen gemacht. Mir war von Anfang an wichtig, dass die Mandel aus Europa stammt und biologisch angebaut wird. Dann habe ich meine Mandeln in Brackenheim gefunden. Sie wird da natürlich nicht angebaut, aber von einer tollen Mühle verkauft.
Wie entwickelst Du das für Dich perfekte Rezept?
Schmecken und abschmecken. Ich probiere und schmecke jede Komponente kritisch ab. Erst wenn jede für sich gut schmeckt, kann sie zu einem gelungenen Ensemble beitragen.
Worauf legst Du besonderen Wert?
Den größten Wert lege ich neben Transparenz auf Nachhaltigkeit. Ich bin Papillon, da ich meine einzige Mitarbeiterin bin. Alles was bei mir bestellt wird, habe ich gebacken, zugeschnitten, verpackt und verschickt.
Die Produkte sind alle – bis auf die Cantuccini mit Mahlep – biozertifiziert. Das auch nur, weil es Mahlep nicht in Bioqualität gibt und mir der Aufwand für eine Sondergenehmigung beim Bundesministerium für Ernährung zu kompliziert und aufwendig ist. Ich lege großen Wert auf gute Zutaten, beispielsweise bin ich bei meinen Eiern komplett auf Eier umgestiegen, bei denen in den Betrieben auch die männlichen Küken aufgezogen und nicht geschreddert werden. „Abfälle“ von der Produktion, wie zum Beispiel Randstücke lege ich meinen Bestellungen für Händler bei, damit sie ihre Kunden probieren lassen können. Die Cantuccini-Randstücke kommen bei mir im Café beziehungsweise in der Patisserie sehr häufig zum Einsatz. Daraus mache ich nämlich die Böden für meine Cheesecakes. Meine Händler bekommen auch immer wieder recycelte Versandkartons von mir. Das sind oft Kartons, in denen auch ich meine Bestellungen erhalten habe. Und ausstopfen tue ich die auch sehr gerne mit den Eierkartons, damit beim Transport nichts zu Bruch geht.

Wie sieht Dein Tag aus?
Mein Wecker klingelt um 6:45 Uhr. Da gibt es für mich erst mal einen handgefilterten Kaffee und Zeit für mich und das Weltgeschehen. Dann geh ich duschen… (*gähn*) Um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt keinen „Mustertag“. Darüber bin ich auch sehr froh.
Was machst Du am liebsten?
Am liebsten gehe ich spazieren – durch den Wald, an Feldwegen vorbei oder ganz einfach durch die langweiligsten Wohngebiete Stuttgarts. Das kann ich stundenlang machen.
Wenn ich nicht zu Fuß unterwegs bin, dann gerne auf meinem Zweirad – auf meiner 40 Jahre alten Yamaha XS400. Die Leidenschaft dafür habe ganz vernünftig erst mit 35 entdeckt.
Was sind Deine Lieblingsorte in Stuttgart?
Ich liebe das Treiben im Sommer rund um den Hans-im-Glück-Brunnen, wenn sich das ganze Leben draußen abspielt. Ruhe finde ich im Feuerbacher Tal. Wenn man den Feuerbach Richtung Kräherwald läuft, ist man ganz oft für sich allein. Perfekt zum Waldbaden.

Am Wochenende öffnest Du in Deinem Laden Dein Samstagscafé – was gefällt Dir daran?
Ich mag den Kontrast zu meinen Mandelprodukten, bei denen man ja immer das Gleiche macht. Das Samstagscafé stellt mich jedes Wochenende vor große Herausforderungen. Man muss sich das so vorstellen: Ich habe eine Idee für neue Törtchen. Diese probe ich vorher nicht, die stehen dann einfach auf der Karte für das Wochenende, das heißt, sie müssen dann gelingen. Da steigt schon mal das Lampenfieber. Manchmal so sehr, dass ich von Freitag auf Samstag nicht einschlafen kann.
Das Samstagscafé ist so ein persönlicher Ort der Menschen und Begegnungen geworden. Es fühlt sich an wie Freunde treffen; das ganze Wochenende. Ich habe so viele tolle Menschen kennen- und schätzen gelernt. Es erfüllt mich mit Glück, wenn die Gäste freudestrahlend an ihren Törtchen sitzen und über die Tische hinweg miteinander ins Gespräch kommen.
Mit noch mehr Glück erfüllt mich mein Team. Es sind so wundervolle Menschen, jeder ist eine Marke für sich. Es macht so viel Spaß mit ihnen das Samstagscafé zu schmeißen, erstrecht, wenn alle Tische belegt sind. Im Gegensatz zu mir behalten sie immer einen kühlen Kopf.
Und wo kann man Deine Produkte beziehen?
In Feinkostläden, Kaffeeröstereien und manchen Biomärkten. Am besten wirft man einen kurzen Blick auf die Händlerliste auf meiner Homepage. Von Kiel bis Freiburg sind da manche dabei. Am längsten gibt es meine Produkte bei Harry´s Kaffeerösterei in der Eberhardstraße, im Organix Biomarkt in Feuerbach, bei Mutterland in Hamburg und im Fresco Bioweine & Café in Schwäbisch Gmünd.
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